Als ich einmal zwei Wochen nicht sprechen konnte

… machte ich eine interessante und zugleich scheussliche, mich tief blickenlassende und lehrende Erfahrung: Ich selbst hatte das Gefühl von Anfang an, als würde ich nach einer Zeit wieder sprechen können und müsste nichts Besonderes dazu tun. Eine Laryngoskopie zeigte, dass zwei Muskeln im Halsbereich nicht richtig zusammenkamen. Es wurde eine Zeit lang eine MS -Multiple Sklerose – vermutet.
Es gab nur eine einzige Person, die genau wie ich gelassen war und intuitiv das Gefühl hatte, dass sich die Sprache wieder einstellen würde.
Hier möchte ich auf die Reaktionen der Umgebung eingehen und was ich dadurch lernte. Ich konnte einmal sehen, wie sich behinderte Personen wohl fühlen, wenn an ihnen vorbeigesehen wird oder sie schlichtweg nicht mehr oder wenig sich in der Öffentlichkeit sehen lassen – ob selbst gewählt oder umständehalber, weil sie zum Beispiel in einem Heim oder Ähnlichem sein mögen, selbst wenig mobil sind oder sein möchten oder anderes.

Zuerst und die zwei Wochen über merkte ich überhaupt, wo man überall die laut-verbale Sprache benötigt, um sich im Alltag verständigen zu können: beim Einkaufen an der Kasse, wenn es ums Grüssen – was ich natürlich finde und etliche Personen an den Kassen von Geschäften kenne – geht, ums Austauschen, wenn es ums Wechselgeld geht, erst recht, wenn etwas nicht stimmt, was man dann sofort ansagen können sollte, im Bus beim Einsteigen und auch gegenüber anderen Fahrgästen, die man grüssen möchte oder die einen vielleicht grüssen oder ein Gespräch beginnen möchten, bei allen Personen, denen man begegnet, bei Ärzten und und und…
Oh je. Doch wie sich kundtun, wenn man es nicht kann? Ich machte mir schliesslich einen laminierten Zettel, den ich je mit einem Lächeln vorzeigte an einer Kasse, im Bus ect., auf ihm stand, ich könne zur Zeit umständehalber nicht sprechen, habe aber nichts Ansteckendes, sei bei bester geistiger und seelischer Gesundheit, voll zurechnungsfähig, meine Hausärztin wisse bescheid und dass ich bitte, Geduld mit mir zu haben, mit Achtung und Respekt mir bitte begegnen zu mögen, falls etwas zu klären sei und, dass ich bitte, nicht den Notarzt rufen zu mögen oder die Polizei: Ich würde mich selbst gut kontrollieren können, und höchstens, falls jemanden es „spanisch“ vorkommen sollte, könne in meiner Hausarztpraxis – mit angegebener Nummer – angerufen werden zum Erkundigen.
So hangelte ich mich durch den Dschungel der täglichen Notwendigkeiten und war erstaunt, wozu man überall die laut-verbale Sprache benötigt – wie so oft, fällt es einem erst auf, wenn man mal ohne ist. Mal eben telefonieren, um jemandem etwas zu sagen – ist nicht. Mal eben der Nachbarin bescheid sagen oder etwas klären – ist nicht. Richtigstellen können allerorten allen Personen gegenüber, dass man gerade keine laut-verbale Sprechmöglichkeit hat und man deshalb trotzdem bei geistiger Gesundheit ist – ist längst nicht immer, wie ich mir sehr gewünscht habe oder hätte. Nix. Schreiben, mailen: ja.

Einige Tage lächelten die mir bekannten Personen an den Kassen der Geschäfte oder im Bus noch, mir verständnisvoll zu. Nach etwa einer Woche sah ich bei so gut wie allen Personen, denen ich vorher so oft begegnet war und die mich kennen als einen klaren Menschen, wie mir öfter gesagt wurde, geistig klar, seelisch fit, das Gleiche – es ist nicht schwer, wenn man im Bewusstsein liest: Die Personen begannen, an mir innerlich vorbeizusehen, mich weniger ernst- oder überhaupt wahrzunehmen. Sie übergingen mich geistig, so als wäre ich nicht da oder würde wenig zählen. Irgendwie hatten sie mich, bereits nach dieser Zeit, abgeschrieben. Das war der Moment, in etlichen Begegnungen, in denen ich mich fühlte wie ausgegrenzt aus einer gesunden Gesellschaft, die nur gesund erscheint, solange man selbst gesund und einigermassen zurechnungsfähig ist. Ansonsten bekommt man leicht die kalte Karte gezeigt. Die Leute sehen an einem vorbei. Ich dachte: Ich verstehe, warum so wenig behinderte Menschen, wie stumme Personen, die eben nicht sprechen können, längerfristig, nicht in „der Gesellschaft“, womit ich das „öffentliche Leben“ meine, zu sehen sind – mir sind jedenfalls bis auf eine Ausnahme, noch keine Personen begegnet, auf die es zugetroffen hätte. Ich dachte: Wahrscheinlich machen es die Personen freiwillig, weil sie so gefrustet sind, dass an ihnen – ich könnte es mir vorstellen, dass dem so sei – innerlich oder auch äusserlich vorbeigeschaut wäre, so, denn das erlebte ich, als würde das Ausgefallensein der laut-verbalen Sprache gleichzeitig heissen, als hätte man nicht alle Tassen im Schrank. Das meint: Als hätte man einen geistigen Schaden. Hallo! Das ist aber nicht so. Man kann geistig klar und sortiert sein – doch dass das so sein könnte, war den meisten Personen offenbar nicht klar. Selbst wer mich Jahre kannte, sah an mir vorbei. Ich schien nicht mehr zu existieren. Für Einladungen kam ich nicht mehr infrage – ich war auf dem Plan der gesellschaftlichen Zusammenkünfte, da die laut-verbale Sprache so eine Rolle spielt, gefühlsmässig oder nach Auffassung oder Wahrnehmung Vieler auf einmal nicht mehr vorgesehen, kam nicht mehr dafür infrage. Ein einsames Leben… Die einzige Person, die es nicht tat, war ein Freund, der geistig ebenfalls sieht, was ist – er verstand mich auf selbem Weg, wie ich anderen seit Kindheit versuche behilflich sein zu wollen bzw. es tat oder noch tue: geistig, empathisch bzw. telepathisch. Ihm machte es nichts, wenn ich schweigend dasass. Ich hatte zu ihm gesagt bzw. ihm in den Computer geschrieben – die schnellste Art, klarzustellen, was ich je wollte -, dass ich mir abgeschrieben von den Meisten vorkomme, es mir selbst jedoch abgesehen davon wenig ausmache, wenn die laut-verbale Sprache ausfallen würde, weil sowieso – und hier mag man zweifeln oder jene Personen, denen es selbst vertraut ist, mögen es annehmen – alle wichtigen Gespräche telepathisch stattfinden: mit jenen Personen, mit denen ich so kommuniziere von Kindheit an. In Wirklichkeit, abgesehen von einem äusserlichen sozialen Leben, fehlt mir gar nichts. Doch das Teilnehmenkönnen und Akzeptiertsein hat arg gelitten mit Ausfall dieses EINEN Moduls „laut-verbale Sprache“, das ich zudem auch noch mickrig und armselig finde – eine Krücke der Menschheit, nicht mehr. Alles lässt sich viel besser geistig, telepathisch sagen, mit viel mehr Gehalt und allem, was man sagen möchte binnen Sekunden. Der ganze Umweg über laut-verbale Worte wählen und dann nur anhand der äusseren Worte verstanden oder gemessen zu werden, bei der Frage, was jemand denke oder fühle oder innerlich möchte, fehlt dabei.
Tja, aber verdiene mal Dein Geld, wenn Du nicht sprechen kannst. Ich kann schreiben – aber reicht das zum „Leben“?
Donnerwetter, da hat das „Schicksal“ zugehauen.

Wie oft stand ich, mich deppern fühlend, im Bus, die busfahrende Person sah mich an, Worte erwartend, und ich konnte nur lächeln oder die Karte mit Erklärung vorzeigen. Ich machte mir einen Spass daraus, es zu tun, eine Übung der Selbstdisziplin: Auch, sich nicht treffen zu lassen innerlich von Aburteilen – „ach, die spricht ja nicht“ – und nicht mehr richtig Wahrnehmen(wollen) meiner Person.
Wie müssen sich erst Leute fühlen, die im Rollstuhl sitzen und über deren Kopf man als aufrecht gehende Person schon entfernungsmässig hinwegsieht? Wer sieht ihnen wirklich ins Gesicht, lächelt, spricht mit ihnen als vollbewusste Personen, die intelligent sind? Eine Erfahrung hierin vor etlichen Jahren, für nur eine Begebenheit, sagte mir: selten jemand.

Jetzt mögen die Personen lächeln, milde lächeln über meine kleine Geschichte, die ihnen lächerlich vorkommen mag, weil sie selbst von Behinderung längerfristig betroffen sein mögen – und nicht wissen oder fühlen, ob oder dass es je aufhören wird. Ich verstehe sie. Diese kleine selberlebte Geschichte ist mickrig im Vergleich zu dem, was Tausende täglich erdulden müssen in Heimen, zuhause – in „der Gesellschaft“, vor allem in Stadtteilen, die als „sozial schwach“ oder als „soziale Brennpunkte“ aufgefasst werden (mögen). Ohne Vorurteile zu haben oder haben zu wollen, ist meine private und berufliche Erfahrung aus mehreren Perspektiven, dass es aufgrund mehrerer sozialer, gesundheitlicher und persönlicher Umstände gerade in den Gebieten viel Grobheit in der Sprache, im Denken, Auffassen und Sich-Äussern gegenüber nicht nur kranken, sondern allen Personen gebe. Man muss schon als gesunder Mensch kämpfen, sich dagegen zu behaupten und nicht in die Knie zu gehen bei manchen Gelegenheiten. Kriminelle oder drogenabhängige Personen kommen noch hinzu, jenen den Rest zu versetzen, die schon benachteiligt sind.
Ich versuche, es zu beenden, wenn ich es irgendwo sehe – denn heute kann ich wieder sprechen Gott sei Dank.

Was ich noch bemerkte an mir, war, dass ich auf einmal wie der Blitz dem empathischen Lesen mit Bewusstsein grössere Bedeutung beimass denn je: Auf einmal wünschte ich mir händeringend eine Person oder Personen, am Liebsten alle, die sehen, was in mir vorgeht, was ich gerade denke, fühle, möchte, brauche oder beabsichtige tun, sagen oder auch an den Kassen von Geschäften monieren möchte, falls das Wechselgeld nicht stimmt oder die Abrechnung oder etwas mit der Ware anders als in Ordnung sein sollte. Behaupten Sie sich mal eben schnell oder überhaupt, wenn die kassierende Person drängt und Stress hat, weil eine lange Schlange Leute hinter Ihnen wartet. Manch alte Person, manch behinderte und auch viel sogenannt gesunde Personen lassen sich dadurch drängen und kommen kaum zum Nötigsten. Wie oft habe ich Verzeiflung in ihnen gesehen, wenn sie mit einer langsamem Sprechart, so wie es eben konnten, baten, dass das Geld nochmal nachgezählt würde oder ob ihnen bitte geholfen werden könne, das Kleingeld zu zählen oder aus dem Portemonnaie zu suchen. Manche Personen, gerade ältere, können nicht mehr so gut sehen oder hören – und das isoliert. Wenn ihnen nicht geholfen wird, ist das ein Aus für die soziale Teilhabe. Viele versuchen sich selbst zu versorgen und die Pflegestufe zu vermeiden oder eine Betreuung – autark zu sein bis zum Letzten. Dann sind sie umso mehr angewiesen auf freundliche, hilfsbereite, geduldige Personen, die angemessen und möglichst liebevoll und warmherzig auf sie eingehen, so wie es benötigt wird und meines Erachtens ein Gebot der Nächstenliebe ist oder sein sollte. Das zu tun, wünsche ich mir von allen Erdenbürgern, egal in welcher Situation sie gerade sein mögen. Man kann sich von Stress drängen lassen, ihn erzeugen überhaupt oder ihn beenden und den Leuten in der Schlange an den Kassen und Bussen sagen: Bitte warten Sie, ich habe hier eine Dame oder einen Herrn, die oder der Hilfe braucht, es dauert nun eine Weile. Alle sollten dafür Verständnis haben und nicht noch Druck machen oder ungeduldig sein. Die Ampelschaltungen für Fussgänger sind oft so, dass die alten und behinderten Personen nicht mal genug Zeit haben, über die Strasse gehen zu können, bevor die Ampel für die Autos wieder grün wird. In den Bussen springen alte und behinderte wie auch gesunde Menschen manchmal auf vor einer Haltestelle aus Angst, nicht rechtzeitig aus dem Bus zu kommen, bevor die ihn fahrende Person wieder anfährt. Das ist doch krank. Ausgrenzung fängt irgendwo an – als Erstes im eigenen Bewusstsein. Bitte haben Sie, habe Geduld und seien Sie oder sei nicht ungeduldig mit Menschen oder Tieren, die Hilfe brauchen. Sie und Erfordernis dazu zu erkennen ist wichtig und Rücksicht zu nehmen, höflich, freundlich, hilfsbereit. Dann wäre das Leben schöner.

Ja, nur eine Person im Umfeld war fähig, vom Bewusstsein abzulesen – es war eine Erleichterung für mich. Sondergleichen. Alle anderen konnten es nicht. Ich denke, dass jeder es im Grunde kann, wenn sie oder er ein offenes Herz hat. Man sieht nur mit dem Herzen gut.

Anhand eines Erlebnisses zu einem anderen Zeitpunkt, als ich sprechen konnte, wurde mir etwas klar: Ich hatte, was ich sonst vermeide tunlichst, ein Medikament genommen, das meine Motorik beeinflusste. Ich konnte etwas, das ich greifen wollte, nicht richtig greifen und liess es fallen unter Umständen. Gerade das geschah erstmals in einem Geschäft. Oh, wie habe ich gebeten, dass ich nicht für betrunken oder geistig krank gehalten werde. Wie sehr habe ich mir gewünscht, dass nun jemand käme, der im Bewusstsein lesen kann und sieht, dass ich geistig klar bin und die Ursache, dass mir etwas – drei Mal – aus der Hand gerutscht ist. Selten je wurde mir so bewusst wie da, wie es eine Rarität ist, dass Menschen im Bewusstsein lesen, was jemand hat und dabei, wie es um die geistige Klarheit bestellt ist. Denn das lässt sich definitiv erkennen – die „Struktur“ des Bewusstseins und mehr. So gibt es kein Raten, ob jemand geistig klar sei – man kann auch sehen, dass oder ob ein Präparat wie dies Medikament einen Ausfall, eine Störung bzw. Gehindertheit wie im Sprechen oder Greifen verursacht. In dem Moment habe ich gedacht: Wenn ich wieder soweit intakt bin, dass ich agieren kann, möchte ich die Anlage einsetzen, hilfreich Menschen oder Tieren im Bewusstsein zu lesen, die Äusserungsschwierigkeiten haben oder wo unklar ist, was sie gerade haben, denken, fühlen, brauchen, für Visionen, Träume, Ängste, Wünsche haben. Es führte eins zum anderen dazu, dass ich schliesslich anbieten wollte, das zu tun, was ich zum Beispiel über diese Seite anbiete: Das Lesen im Bewusstsein. Ich hoffe, dass alle es so freudig empfinden wie ich, wenn mir jemand begegnete oder begegnet wäre – eine Person immerhin -, die im Bewusstsein lesen konnte. Sie war die einzige Person, die entspannt war. Ein Arzt, der nicht so sehen konnte, wollte mich gleich ins Krankenhaus in die Neurologie überweisen. Er hat zudem gedacht, was er mir später sagte, dass ich nicht ganz bei Trost sei, dass ich in der Situation, nicht sprechen zu können und mich nur mit aufschreiben verständigen konnte, auch noch darüber lächeln würde. Er hielt es für eine schwerwiegende Störung, bei der man unbedingt sofort handeln müsse. Doch ich war entspannt – denn ich wusste, dass ich wieder sprechen können würde. Das Gefühl für sich behalten ist eine wichtige Sache. Das habe ich in der Zeit und anhand vieler Situationen lernen können.

Wie kostbar es ist, normal laufen, greifen, sehen, hören, sprechen zu können, habe ich schätzen gelernt – und gesehen, wie leicht es geschehen kann, dass es anders ist und man plötzlich aussen vor ist „gesellschaftlich“, zu den Schwierigkeiten mit der Gesundheit hinzu. Diese doppelte Belastung, die sozial folgt, wenn man gehindert in etwas ist, möchte ich lindern helfen. So bemühe ich mich, beim „Lesen mit Bewusstsein“ genau und detailliert im O-Ton dessen, was jemand geistig denkt, fühlt, sagt, bei innerer und von mir wahrnehmbarer Einwilligung einer Person, zu  hören oder aufzuschreiben, was je ihr wichtig ist, dass es jemand anders oder andere erfahren. Besonders liegen mir hierbei Personen am Herzen – unterschiedslos -, die nicht sprechen können. Geistig kann jemand unheimlich laut sein, wenn er nach aussen hin nicht sprechen kann. Ich höre dies wie bei einem lautgestellten Radio – und es kann unheimlich Lärm machen. Es ist die Hoffnung, so ein wenig Leid mindern zu können – die Lebensauffassung und die -qualität etwas verbessern helfen zu können. Kommen Sie auf mich zu, wenn Sie meinen, dieses „Lesen im Bewusstsein“ im Interesse, für eine Person erhellen zu wollen, was in ihr vor sich gehe, was für Fähigkeiten sie habe und so fort, sei richtig für Sie oder Dich. Ich bemühe mich, mit Liebe und Wärme dazusein, ob bei erkrankten, gehinderten oder sterbenden Personen.

Herzlichst – „Ihre“ Christine Schüren